Vegan. Kaum ein Wort löst bei so vielen Menschen Augenrollen aus, wie dieses. Warum eigentlich? Wo doch so vieles, das wir essen und lieben, vegan ist. Pommes, Spagetti Napoli, Himbeersorbet...
So viele unglaublich leckere Speisen sind von Natur aus rein pflanzlich; dennoch fühlen sich viele Menschen provoziert, sobald das Wort "vegan" auftaucht.
Es gibt viele gute Gründe, sich pflanzenbasiert zu ernähren. Ob es das Tierwohl ist, die eigene Gesundheit, ob es aus Klimaschutz-Gründen oder aus politischen Gründen ist - ich halte jeden
einzelnen Grund für verständlich. Für mich selbst waren folgende Tatsachen ausschlaggebend, es mit veganer Ernährung zu versuchen:
- wir schaffen es, 30 Milliarden Nutztiere zu füttern, während gleichzeitig 800 Millionen Menschen Hunger leiden.
- im Durchschnitt müssen 7 pflanzliche Kalorien verfüttert werden, um 1 tierische Kalorie zu erhalten.
- 80 % der landwirtschaftlich genutzen Fläche weltweit wird für Weideland oder den Anbau von Tierfutter genutzt.
In all den Jahren, in denen ich mich nun mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandersetze, hat das Wissen um diese Zahlen und Fakten mich dazu gebracht, meinen Konsum von tierieschen
Lebensmitteln zu hinterfragen. Strukturen, die mich zwar satt machen, aber die Ausbeutung von Mensch, Tier und Umwelt bedeuten, möchte ich durch mein Handeln schlichtweg nicht
unterstützen.
Aber wie sieht es mit der Gesundheit aus? Als Ernährungsberaterin bin ich der festen Überzeugung, dass eine ausgewogene Ernährung gesundheitsfördernd ist. Ist eine Ernährung ohne Fleisch,
Fisch, Eier und Milchprodukte überhaupt ausgewogen?
Die kurze Antwort lautet: ja.
Die lange Antwort: Unser Körper braucht Makro- und Mikronährstoffe. Makronährstoffe sind Kohlenhydrate, Fette und Proteine - sie liefern unserem Körper Energie. Für eine ausreichende
Zufuhr an Kohlenhydraten sind tierische Produkte völlig irrelevant, denn sie enthalten kaum welche. Dass pflanzliche Fette, also zum Beispiel Olivenöl, Nüsse oder Avocados* gesünder sind,
als tierische, ist denke ich schon lange bekannt. Bei Proteinen ist es tatsächlich so, dass unser Körper tierisches Eiweiß besser aufnehmen kann, als pflanzliches, ABER das ist nur der
Fall, solange ein Protein isoliert gegessen wird. Das Protein aus Hühnerfleisch können wir besser aufnehmen, als das Protein aus Erbsen. Sobald wir aber mehrere Proteine kombinieren,
können pflanzliche Proteine die Verfügbarkeit von Fleisch übertreffen. Wenn z.B. in eine Nussbolognese noch eine Handvoll rote Linsen gegeben werden, in Sojabratlinge noch ein paar
Hanfsamen kommen oder das Kartoffelpürree mit etwas Mandelmus zubereitet wird und Erbsen dazu gegessen werden, kann unser Körper das Protein hervorragend aufnehmen. Sportler:innen kennen
das als "Multiprotein-Komplex".
Alle Makronährstoffe bekommen wir also problemlos über vegane Ernährung.
Mikronährstoffe sind zum Beispiel Vitamine, Spuren- oder Mengenelemente, die uns zwar keine Energie liefern, die wir aber dringend zum Funktionieren benötigen. Unser Körper braucht z.B.
kein rotes Fleisch, sondern Eisen, und um einen Eisenmangel durch den Konsum von Fleisch auszugleichen, müsste man tatsächlich viel Carpaccio oder Tatar essen. Dabei kann man auch mit
Hülsenfrüchten, Blattgemüse, Nüssen und Kernen eisenreich essen.
Wir brauchen keinen Fisch, sondern Omega 3 - welches Lein-, Chia- oder Hanfsamen zu genüge enthalten.
Der einzige Nährstoff, der nicht in pflanzlichen Lebensmitteln enthalten ist, ist Vitamin B12. Diesen nehmen wir einzig durch den Verzehr von tierischen Produkten auf. Allerdings wird
Tieren in der industriellen Haltung oft Vitamin B12 als Zusatz in ihr Futter gegeben - gerade Schweine und Geflügel "enthalten" dies nicht auf natürliche Weise. Wir können uns also easy
den Umweg über das Tier sparen und diesen Nährstoff selbst supplementieren.
Während Viele vegane Ernährung mit Einschränkungen in Verbindung setzen, bedeutet sie für mich eine ganz neue Vielfalt. Es gibt so unglaublich viel Gemüse, Obst, Nüsse, Kerne,
Hülsenfrüchte, Getreidesorten, Kräuter und Gewürze und so viele unterschiedliche Kombinationen, Zubereitungsarten und Garmethoden, sodass Fleisch für mich total unwichtig geworden ist.
Fleisch- (oder Fisch-) Ersatzprodukte esse ich gelegentlich, wenn ich das Gefühl habe, meinem Speiseplan eine zusätzliche Proteinquelle zufügen zu wollen (z.B. Linsen- oder Nuss-Bolognese
statt einer simplen Tomatensoße) oder eine zusätzliche Konsistenz möchte (z.B. Champignonrahmgeschnetzteltes mit Happea-Meat-Chunks). Oft ist es aber auch schlichtweg psychisch, weil ich
Currywurst mit Pommes, Lasagne oder eine Butterbreze mit Leberwurst in meinem Kopf z.B. im Belohnungszentrum, mit "Soulfood" oder mit einem gemütlichen Sonntagmorgen-Frühstück
abgespeichert habe. Essen ist so viel mehr, als bloße Nahrungsaufnahme.
Wer von Euch tolle Rezepte hat, kann sie mir sehr gerne per Email schicken oder mir im Laden vorbei bringen. Wer auf der Suche danach ist, kann hier auf unserer Homepage oder auf unserem
Insta-Kanal stöbern. Wir freuen uns immer über Austausch, Ideen und Inspiration.
*die Sache mit der Avocado. Die Studie, die die Avocado als böses, wasserfressendes Ungeheuer entlarvt hat, hat den Anbau in Mexico als Grundlage. Dort (und übrigens auch in vielen Teilen
Spaniens) wird die Frucht in völlig ungeeigneten Gebieten angebaut. Um allerdings unseren neuen Hunger nach dem Superfood zu stillen, wird eben diese starke Bewässerung auch in Wüstengebieten
in Kauf genommen. Wer die Avocado als das sieht, was sie ist, nämlich eine Frucht, die genau wie die Erdbeere ein natürliches Anbaugebiet und eine Saison hat, kann während dieses Zeitraums
beherzt und freudig zugreifen. Und selbst, wer eine "Wüsten-Avocado" ist: der Wasserverbrauch für ein Rindersteak ist immernoch zirka 7 x so hoch.
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